Gebärdensprache

In der sehr lesenswerten Reportage „Wenn Eltern nicht hören“ von Akiko Lachenmann in der Stuttgarter Zeitung vom 31.03.2021 wird die Situation von hörenden Kindern von gehörlosen Eltern ausführlich geschildert. Insbesondere wird berichtet, dass es bei den Kindern zu ständiger Überforderung und psychischen Problemen sowie Brüchen innerhalb der Familie führen kann, wenn Kinder immer wieder für ihre Eltern dolmetschen müssen, etwa beim Arztbesuch oder in der Schule. Weiter wird berichtet, dass der Druck auf die Kinder seit dem Jahr 2002 nachgelassen hat, als die Gebärdensprache als vollwertige Sprache anerkannt wurde und seither ein gesetzlicher Anspruch auf Gebärdendolmetscher bei Ärzten, Behörden, Polizei und Gericht, aber auch am Arbeitsplatz besteht.

Allerdings sind damit längst nicht alle Lebenssituationen abgedeckt und es gibt auch zu wenig Dolmetscher. Es erfordert viel Mut und Kraft, als Gehörlose sich den verschiedenen Lebenssituationen zu stellen. Die in der Reportage geschilderten gehörlosen Eltern gehen aktiv mit ihrer Hörbehinderung um, in dem sie z.B. in der neuen Schule der Kinder Zettel verteilen mit der Aufschrift „Hallo! Wir sind gehörlos. Wenn Sie uns etwas mitteilen wollen, bitte scheuen Sie sich nicht, sich trotzdem direkt an uns zu wenden“. Außerdem besuchen sie die Theater- und Musikaufführungen an der Schule ihrer Kinder, auch wenn sie nicht soviel mitbekommen.

Ergänzend zur Reportage möchte ich mitteilen, dass die Deutsche Gebärdensprache (DGS) eine vollständige Sprache mit eigener Grammatik ist und nicht immer 1:1 in die Laut- bzw. Schriftsprache übersetzt werden kann. Daneben gibt es die lautsprachbegleitenden bzw. lautsprachunterstützenden Gebärden. Diese enthält Gebärden aus der DGS, wird aber, wie es der Name schon sagt, nur zur Begleitung und Unterstützung der Lautsprache verwendet und wird von manchen Spätertaubten und Schwerhörigen, die gut sprechen gelernt haben, mehr oder weniger benutzt.

Ich persönlich trete dafür ein, dass sich Schwerhörige und Spätertaubte nicht allein auf ihre Technik (Hörgeräte, Cochlea-Implantate) verlassen, sondern je nach Möglichkeit auch Gebärden lernen, um ihre Kommunikation zu unterstützen und lebendig zu gestalten.

Erstens, weil die Technik sowieso nur ein eingeschränktes Hören/Verstehen ermöglicht, zweitens ist das eine Frage der Identität (erlebe ich mich als defizitär oder kann ich etwas Besonderes?) und drittens kann damit die Solidarität mit den Gehörlesen ausgedrückt werden.

Ferner ist es gut, wenn hörende Mitmenschen, etwa Kollegen, Freunde Verwandte, verständnisvoll und aufgeschlossen sind – und auch einige Gebärden können. Die Stuttgarter Zeitung hat mit ihrer Reportage von Akiko Lachenmann einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet. Außerdem hat es mich sehr gefreut, dass mein Leserbrief zum Thema am 03.04.2021 veröffentlicht wurde.